Nathan der Weise (Dialog von Saladin mit Sittah nach III, 7)

Nathan der Weise“ – mit diesem Titel verbindet so mancher Schüler eine sehr langweilige Zeit im Deutschunterricht. Es handelt sich um ein Drama von Gotthold Ephraim Lessing, in dem für die Hauptperson Nathan nicht eine bestimmte der Religionen, sondern das Leben und der Mensch im Mittelpunkt steht. Daher prägt er den Toleranzgedanken und belehrt so den absolutistischen Herrscher Saladin, der von Geldnot geplagt ist. Diese Belehrung erreicht er in der zentralen Szene (III, 7) des Dramas, auch „Ringparabel“ genannt.

Am Ende dieser Szene steht „[…] meine Schwester […] – zu ihr! – Denn wie soll ich alles das ihr nun erzählen„, worauf im Drama nicht eingegangen wird. Daher habe ich einen Dialog zwischen Saladin und seiner Schwester Sittah erfunden, um die Lücke zu füllen. Wenn jemand das Drama nicht gelesen hat, könnte es zu Verständnisproblemen kommen. Das Lesen dieses Dialogs kann ich dennoch nur empfehlen:

Sittah: Was ist los Saladin?

Saladin: Was soll sein? Ich sprach mit Nathan.

Du wirkst verunsichert und doch so glücklich. Dann ist die Falle wohl gelungen, auch wenn du erst dich nicht recht dazu bewegen konnteset.

Wie Recht du hast.

Wusst ich’s doch.

Ich war mir erst nicht sicher. Doch auf die Begegnung verzichten – im Nachhinein – wäre ein fataler Fehler gewesen.

Gut, dass das mit dem Geld vom Juden klappt.

Was redest du von Geld? Ach, Geld. Das wurde schnell zur Nebensach. Hatte doch der ‘Jude‘ uns sogleich durchschaut. Er – so wahr er jetzt mein Freund ist – würde uns in jedem Falle helfen. Doch was will ich mit Geld? Die Erkenntnis, die er mir gelehrt, ist wahrlich ein größres Gut.

So hat er dir Honig ums Maul geschmiert und dich geblendet. Wie leicht du dich doch verzaubern lässt. Wo bleibt der Willen und die Macht deiner Herrschaft? Ohne Geld bist bald schon eine Kirchen maus und kannst dir doch nicht mal mehr Honig leisten.

Wärst du dabei gewesen – du wärest im Boden versunden, vor Scham. Dein Stolz, dein Glauben – alles wäre über Bord geworfen. Bist du doch stets die Blenderin, die ihren Bruder tadelt, beschränkt und lenkt. Bist selbst kurzsichtig und wagst der Wahrheit nicht ins Auge einen Blick. Deine Magie, die es immer wieder schafft, mich in den Bann zu ziehen. So sehr ich dich auch liebe, so ist mir durch Nathan endlich ein Licht aufgegangen.

Warum mit so bösem Ton, Saladin?

Ich darf nichs überstürzen. Ich muss mich wieder fassen. Du musst mir versprechen, mich demnächst zu Nathan zu begleiten. Er kann sicher besser Schach spielen als ich. Jetzt gehe ich raus in die Welt und lausche dem Rauschen der Palmen. Bevor ich mich überstürze, will ich Nathans Gedanken nochmals überdenken. Gelehrt hat er mich eines Besseren, drum will ich auch gleich beginnen, geordnet und ausführlich über alles nachzudenken. Wärst du bloß dabei gewesen, dann fehlen dir die Worte. Wäre ich noch so arm – durch Nathan bin ich nicht mehr gefangen als graue Maus einer Kirche.

(Saladin geht ab, Sittah guckt beeindruckt hinterher)

Nathan muss wahrlich sonderbar sein. Doch was hat er gelehrt?

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