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Die Farbe Türkis

Weihnachten mal anders. Von Weihnachtsstimmung kann in diesem Jahr keine Rede sein – wie auch bei 20 Grad und nur in T-Shirt?

Nur die geschickten Kekse, ein etwas verspäteter Adventskalender und sogar mein Lieblings-Weihnachtsbaumschmuck von meinen Liebsten aus der Heimat haben mich dann daran erinnert, was bald gefeiert wird.

Es ist der 22.12.2012. Sangu kommt überraschend über Weihnachten nach Butiama. Zusammen mit ihrer Adoptivtochter Dorothe verbringen wir ein paar schöne Tage zu viert. Wir fahren an einem Tag nach Musoma und sehen ein weiteres Haus der Butikus (ja, wir wundern uns auch). Direkt am See und zu unserer Freude wohnen Nyangi und Lois nun dort, sodass wir auch die beiden mal wieder sehen. An Heiligabend wird ein superkitschiger Plastikweihnachtsbaum gekauft, der in allen Farben – unter anderem auch türkis – blinkt und leuchtet. Eine nette Geste von Sangu uns Weihnachten so gewohnt wie möglich zu gestalten, denn das ist hier normalerweise nicht üblich.
Am 2. Weihnachtsfeiertag gehen wir zu viert in die Kirche, wo der polnische Prieser Father Matthius  einen sehr schönen Gottesdienst abhält. An diesem Tag ist es ungemütlich kalt und regnerisch, wir hören laut Weihnachtslieder und ein kurzer Anflug von Weihnachtsstimmung überkommt mich letztendlich doch noch. Es gibt ein leckeres Essen mit allem was das Herz begehrt.
Mittags werden die Geschenke verteilt. Alle Kinder, die zu der Butiku-Familie gehören, oder in den Ferien hier leben, weil sie keine Familie mehr haben, versammeln sich im Wohnzimmer. Sie haben ihre beste Kleidung an, die zum Teil durch die Jahre schon etwas kurz geworden ist und warten bis sie von Sangu aufgerufen werden. Vom jüngsten bis zum ältesten Kind geht es, auch wir sind am Schluss an der Reihe. Es werden kleine Geschenke gemacht. Für diejenigen, die noch nicht in die Schule gehen sind es praktische Dinge und für die Schulkinder sind es Stifte, Hefte oder Ordner.
Den Rest des Tages schauen wir uns mit Sangu Filme an und trinken tansanisches Bier.

Am nächsten Tag ist die ‚Weihnachtsstimmung‚ aber auch schon wieder verflogen, denn wir verbringen den Tag im Bus nach Dar es Salaam. Dann, kurz vorm Ziel, in der Nähe von Morongoro: Der Fahrer hat nach knapp 12 Stunden (diesmal wurde sogar zwischendurch der Fahrer gewechselt!) verständlicherweise keine Lust mehr weiterzufahren und beschließt eine 4-stündige Pause einzulegen. Während dieser auf einer Pappe am Straßenrand schläft, setzten wir uns in einen Imbiss und treffen zwei andere deutsche Freiwillige aus Musoma, die ebenfalls auf dem Weg nach Sansibar sind.
Um 6 Uhr morgens, nach 24 Stunden Fahrt, mit eingeschlafenen Hintern und steifen Knochen sind wir endlich in der Großstadt. Wir werden von Robert, einem Verwandten von Sangu, abgeholt und durch das morgendliche Verkehrschaos einer Großstadt zu ihrer Wohnung (und das ist immernoch nicht alles) gefahren.

Trotz unserer Müdigkeit sind wir überwältigt und können es kaum glauben. Wir kommen in ein bewachtes Apartment mitten in der Innenstadt mit Klimaanlage, 3 Zimmern mit großen Betten und jeweils einem Ensuite-Bad, einer amerikanischen Küche mit Kochblock und Riesenkühlschrank und einem Balkon mit Blick auf den angrenzenden Golfplatz. Erschöpft fallen wir in die bequemen Betten und sind ganz überrascht ohne Moskitonetz zu schlafen. Dies ist allerdings nur bedingt lange möglich, denn wir befinden uns zur Zeit im tansanischen Hochsommer, was sich durch die Küstenlage Dar es Salaams besonders schwül und drückend anfühlt und wogegen auch eine Klimaanlage machtlos ist.

 

Der nächste Tag. Mit der Fähre, ordentlich Seegang und riesengroßer Vorfreude geht es auf in Richtung Sansibar.
In Stone Town angekommen, werden wir am Hafen von Hanna (auch eine Freiwillige des IB, die ihren Dienst in Arusha leistet und wir schon von den Seminaren in Deutschland kennen) abgeholt und zum Hotel begleitet. Dort wartet schon Judith auf uns – ihre Mitfreiwillige – und vor uns liegen ein paar gemeinsame Tage, auf die wir uns schon sehr gefreut haben.
Stone Town ist eine tolle Stadt, die mich gleich verzaubert hat. Als Stone Town bezeichnet man eigentlich bloß den historischen Stadtkern der Hauptstadt Sansibars, Zanzibar Town. Vor mehr als 300 Jahren wurden hier von den Arabern dicht an dicht Häuser aus Korallenstein gebaut, die eine fremde Kultur in das afrikanische Land brachten und so für den typisch sansibarischen Stil sorgten. Dadurch ist es dort auch sehr moslemisch und orientalisch geprägt. Man sollte sich meiner Meinung nach gerade als Tourist dementsprechend verhalten, was jedoch die Wenigstens inetressiert und sie weiterhin in Hotpants und Trägertop herumlaufen.
Am nächsten Tag, Noras Geburtstag, machen wir eine Sightseeingtour und schauen uns den Markt, die Old Ford (alte Festung), die Old Despensary (ehemaliges Krankenhaus), den Hafen, das House of Wonders (ein Kunstmuseum) und die Persian Baths an. Die Persischen Bäder wurden vom ersten Sultan als öffenltiche Bäder gebaut, waren aber nur für die wohlhabenden Bewohner erschwinglich. Auf dem Markt gibt es jeden Menge außergewöhnlicher Früchte und es duftet überall nach Gewürzen. Der Fleisch- und Fischmarkt, bei dem es oft sehr blutig zugeht und gewöhnungsbedürftig riecht, ist allerdings  nicht unbedingt jedermanns Sache.
Abends gehen wir dann auf den Forodhani Foodmarket. Ein Markt, der jeden Abend an der Strandpromenade aufgebaut wird und aus kleinen Garküchen besteht, die verschiedene sansibarische Spezialitäten anbieten. Ein sehr schönes Bild wenn es dunkel wird und an jedem Tisch kleine Petroleumlampen angezündet werden. Zwar ist es dort überlaufen von Touristen, aber ich würde es jedem empfehlen, der einmal in Stone Town ist. Anschließend lassen wir den Tag bei einem tollen Sonnenuntergang auf der höchsten Dachterrasse mit Blick über ganz Stone Town und Cocktails ausklingen.

 

Es geht weiter nach Nungwi, der nördlichste Ort Sansibars, wo wir mit Hanna und Judith in einem netten Bungalow ein paar Tage Strandurlaub machen. Ein beliebter Ort bei Touristen, denn Ebbe und Flut sind hier nur gering spürbar, die Strände sollen allerdings an der Ostküste am schönsten sein.
Weißer Sand, türkisblaues Meer.
Für mich war klares Wasser, wo man bis auf den Grund schauen kann, vorher unvorstellbar – aber das gibt es wirklich! Mit Worten kann man es schlecht beschreiben, also: Fahrt nach Sansibar und überzeugt euch selbst!
Abends werden bei den Strandbars und –restaurants die Tische direkt ans Wasser gestellt und so kann man bei Wellenrauschen und Kerzenschein sein Essen genießen.
Silvester wird natürlich auch am Strand gefeiert. Wir gehen auf eine große Party, die auf der ganzen Insel bekannt ist und treffen uns dort mit anderen Freiwilligen des IB und lernen auch schon einige von anderen Organisationen kennen. Mit einem Feuerwerk und netten Menschen um uns starten wir in das Jahr 2013. Die Party, auf der die Einheimischen feiern ist allerdings um Längen besser als die überlaufene Ballermann-Party nebenan.

 

Das Seminar in Paje. Der Ort liegt an der Südostküste, wo wir durch unser gutes Verhandlungsgeschick und unseren Charme für einen fairen Preis mit dem Taxi hingefahren werden.
Wir sind eine ziemlich große Gruppe von knapp 30 Leuten, die von fünf verschiedenen Organisationen nach Tansania entsendet wurden. Die zwei Leiter des Seminars sind beide ehemalige Freiwillige, die 2005 bzw. 2006 ihren Dienst geleistet haben. Dementsprechend konnten sie viele hilfreiche Tipps und Anregungen geben.
Wir kommen mittags an und beginnen nach einem gemeinsamen Mittagessen mit einer Vorstellungsrunde und Themensammlungen in der Gruppe. Pro Tag werden 3 Workshops angeboten, die sich teilweise überschneiden und für die man sich entscheiden muss. Auf meiner List stehen: ‚Lehrmethoden‘, ‚der faule Lehrer‘, ‚Misshandlung und Missbrauch‘, ‚Spendensammlung‘, sowie ‚Globalisierung/Wohin bewegt sich Tansania?‘. Es ist mehr ein Raum, in dem Platz für Austausch und das Erzählen eigener Erfahrungen ist, wo es weniger auf ein festgelegtes Ziel hinauslaufen soll. Es gibt also jede Menge Zeit sich mit dem eigenen Standpunkt und seiner Meinung auseinanderzusetzten. Zwei Psychologinnen sind auch dabei, die für Einzelgespräche und eine Einheit zum Thema ‚Psychohygiene‚ zuständig sind. Unter ‚Psychohygiene‚ kann man sich eine Art Traumreise vorstellen, wo eine Geschichte vorgelesen wird und man danach aufzeichnen soll, was man gesehen hat. Mir hat das sehr  viele Dinge bewusst gemacht, die mir vorher gar nicht aufgefallen sind.
Ich gehe aus diesem Seminar mit neuen Ideen, Motivation und Tatendrang ins Projekt zurück. Und was auch sehr schön ist, sind die netten Menschen, die man wieder kennenlernen durfte und durch die man nun in fast ganz Tansania eine Schlafgelegenheit hat 😉

 

Wir verbringen zusammen mit einigen anderen Freiwilligen vom Seminar noch eine Nacht in Stone Town, weil wir aus zeitlichen Gründen die Fähre nicht mehr bekommen haben. Also geht es noch einmal –  weil es so schön ist –  auf den Forodhani Foodmarket. Bei Cocktails wird die schöne und viel zu kurze Zeit auf Sansibar abgeschlossen.

 

Der nächste Tag ist ein stressiger. Nur mal kurz noch ein bisschen bummeln – haben wir uns gedacht! Das ist aber leichter gesagt als getan und kurzer Hand haben wir uns verlaufen und es nur im Eiltempo und dank der Hilfe eines netten Mannes zu unserem Hotel und auf die Fähre geschafft.

 

Ein zweites Mal in Dar. Wieder kommen wir netterweise in dem Appartment von Sangu unter, wo wir eigentlich nur eine Nacht verbringen wollen. Unser Plan ist, für die paar Tage, die wir noch frei haben, ein wenig die Ostküste hochzufahren und uns die Städte Tanga, Pangani und den Künstlerort Bagamoyo anzuschauen. Allerdings ist Nora gesundheitlich nicht ganz fit und nachdem wir bereits mit gepackten Koffern am Busbahnhof stehen, unser Bus aber leider nicht kommt, ist meine Lust am Tiefpunkt. Dank unseres immer besser werdenden Kiswahilis und ein wenig Druck gelingt es uns auch, das gesamte Geld erstattet zu bekommen. Und so beschließen wir nach Hause zu fahren und die Tour irgendwann nachzuholen.
Nach diesem Jahr werde ich wohl mal die Stunden zusammenzählen, die wir in Bussen verbracht haben – wobei, will ich das wirklich wissen?
Die Busfahrt von Dar nach Butiama kommt mir so ewig vor wie noch nie. 24 Stunden sind ja auch eine lange Zeit, aber die Male davor war es noch auszuhlaten. Die Zeit vergeht einfach nicht, bei jedem Blick auf die Uhr sind erst 2 Stunden vergangen. Dazu kommt noch die ohrenbetäubend laute und gesanglich klägliche Musik, die durchgehend gespielt wird. Wer will schon innerhalb von 24 Stunden ein wenig Schlaf bekommen?
Über ein paar Umwege, weil das Auto des Fahrers leider kaputt ist, kommen wir letztendlich heil in Butiama an und freuen uns fast ein bisschen den altbekannten Mäusegeruch wieder zu vernehmen.

Aber tatsächlich bin ich froh. Ich habe neue Motivation und Kraft getankt und bin voller Tatendrang meine Ideen umzusetzten.

 

Ich sende ganz herzliche Grüße in die Heimat!

PS. In der Fotogalerie wird es in den nächsten Tagen neue schöne Bilder zu sehen geben.

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