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So viel Neues!

Donnerstag, 27.09.2012, 11.35h, Hamburg Airport.

Abschied ist die erste Phase der Vorfreude auf das Wiedersehen – meine liebe Mama

Und so ging es also los. Um 16.00h Ortszeit sind wir in Istanbul gelandet und hatten dort einen vierstündigen Aufenthalt. Das Klima von 30°C machte sich Dank der 15° Unterschied zu Deutschland und der Wanderschuhe (die leider nicht mehr in den Koffer passten) auch gleich bemerkbar. Nach einem ausgedehnten Spaziergang durch die Dutyfree-Shops und einer Irrfahrt mit türkischen Fahrstühlen, starteten wir um 20.00h in Richtung Daressalam.

Mit reichlich Filmen und überraschend gutem Flugzeugessen versorgt, haben wir versucht uns die 7,5 Stunden so angenehm wie möglich zu gestalten. Dies war nur bedingt möglich, doch wir sollten schon bald merken wie bequem ein Flugzeug sein kann…
Um 03.45h Ortszeit sind wir schließlich in Daressalam gelandet und wurden sogleich von der afrikanischen Behörde mit einem erneuten Visum für 50 USD empfangen. Der Sprache kaum mächtig und nach der Reise sehr erschöpft, sahen wir keinen anderen Ausweg als klein bei zu geben. Von einem netten Taxifahrer namens Rogers wurden wir dann zu unserem Hostel gefahren, wo wir zunächst vor verschlossenen Türen und einem schlafenden Wachmann standen. Es wurde uns aber doch noch Eintritt gewährt und wir versuchten uns mit letzter Kraft und wegen eines Stromausfalls ohne Licht unter unsere Moskitonetze zu legen und wenigstens ein paar Stunden Schlaf zu bekommen.

Am nächsten Tag um 09.30h trafen wir das erste Mal unsere deutschen Ansprechpartnerinnen Susanne Seifert und Swantje Scheunemann. Von Swantje wurden wir ein wenig durch die Stadt geführt, haben unsere ersten tansanischen Schillinge aus dem Bankautomaten bekommen und uns tansanische Sim-Karten besorgt.
Die erste Daladala-Fahrt.

Um unsere Bustickets von Dar nach Musoma zu besorgen, mussten wir zu dem etwas außerhalb gelegenen Busbahnhof fahren. Für 300 TSH (ca. 15 cent) ging es 30 Minuten mit vielen, vielen Menschen auf engem Raum durch die für einen Europäer extrem chaotische Stadt. Begleitet vom ständigen Hupen und rasanten Überholmanövern der Pikipikis, fühlten wir uns definitiv mit der neuen Kultur konfrontiert. Als Belohnung gab es das erste Zuckerrohr, was trotz der ungewohnten Essensweise (kauen-ausspucken) doch sehr gut schmeckte. Zurück nahmen wir das Bajaji, was sich als großer Fehler herausstellte, denn der höchstens 14-jährige Fahrer hatte es besonders eilig und versuchte sich mit einer rasanten Geschwindigkeit durch die kleinsten Lücken zu drängeln. Die Fahrt endete, früher als gedacht, mit einem Rad in einem Straßenloch. Mit einem großen Schrecken überließen wir dem Fahrer seinem Schicksal und fuhren das letzte Stück mit dem Bus zurück.

Nach dem ersten eigenst gekauften Wasser (auf Kiswaheli!), gönnten wir uns ein dekadentes Abendessen, bestehend aus Wasser, Brot und Keksen.
Am folgenden Tag – oder besser gesagt mitten in der Nacht – um 04.30h wurden wir von dem bekannten Taxifahrer Rogers zu der Bushaltestelle gebracht, wo wir mit Unmengen Gepäck auf dem Rücken auf unseren Bus warteten. Und so traten wir die 1100 km in einem vollgepackten und dicht besetzten Bus mit nur einem Fahrer(!) an. Es ging über Morongo nach Dodoma (Hauptstadt von Tansania), weiter nach Mwanza und von dort aus nach Musoma. Pinkelpausen wurden nur wenige und sehr kurze gehalten. Dabei wurde auch schon mal die Ein oder Andere zurückgelassen, weil sie zu langsam war. Aber keine Angst, am Ende kam sie doch noch hinterher. Auch die Geschwindigkeitsbremser (kleine Hügel auf den Straßen) wurden mit gut 100 km/h mitgenommen, was uns regelmäßig in die Luft schleuderte und aus dem Schlaf riss. Wir rasten durch wunderschöne Landschaften mit sehr merkwürdig aussehenden Gebirgen und dem Sonnenuntergang entgegen. Für Verpflegung sorgten die Straßenverkäufer, die bei jedem Halt in Scharen an die Fenster kamen und ihre Speisen oder Getränke mit einem Balanceakt anpriesen.
Nach einer langen und unbequemen Zeit im Bus kamen wir am 30.09. um 03.00h in Kiabakari an, wo wir zunächst allein in der Dunkelheit standen. Doch eine afrikanische Mama hatte ein gutes Herz und überzeugte den Busfahrer mit uns zu warten, bis wir von unserer Gastschwester Sangu Butiku abgeholt wurden.
Doch auch in dieser Nacht bekamen wir leider nicht allzu viel Schlaf. Geweckt wurden wir mit einem Frühstück im Bett aus Chapati und Tee. Am diesem Tag war ‚Graduation Day‘ in der Schule. Es wurden Reden gehalten, Tänze und Lieder vorgeführt, begleitet vom Schreien, Pfeiffen und Klatschen des Publikums. Unvorstellbar, dass Menschen in Deutschland aufstehen und anfangen mit zu tanzen, doch hier ist dies völlig normal. Was auf einer Abschlussfeier – oder allgemein in Tansania – nicht fehlen darf, ist das Essen. Es gab Reis mit Kochbananen, Fleisch und Spinat und zum Nachtisch Bananen mit Melone dazu Coca Cola.

Untergebracht sind wir nun doch in dem Haus des Headmasters der Mbeza School, bei Familie Butiku. Es wohnen dort Mama, Baba und Sangu Butiku, die kleine Dorothe, die kleine Lois und Nyangi die Haushälterin. Wir haben ein eher spartanisch eingerichtetes Zimmer zu zweit. Die Fenster lassen sich leider nicht schließen, was das Schlafen durch die bis spät in die Nacht laufende Musik sehr erschwert. Auch das Badezimmer verlangt eine gewisse Umgewöhnung, denn fließend Wasser gibt es nicht. So müssen wir uns das Wasser aus einem großen Tank holen, mit warmem Wasser mischen und in eine kleine Schüssel geben, aus der wir uns dann mithilfe eines kleinen Bechers waschen. Anfangs war dies sehr befremdlich, aber mittlerweile haben wir uns auch daran gewöhnt.
Montag und Dienstag (ja, ganze zwei Tage!) haben wir damit verbracht unsere Pässe im Immigrationoffice abstempeln zu lassen. Das eine Mal fehlte ein Brief, das andere Mal war es eine Kopie. Also wurden wir bis Dienstagabend mit leeren Händen nach Hause geschickt. So hatten wir aber immerhin schon die Gelegenheit etwas von Musoma zu sehen. Den Marktplatz mit verschiedensten Speisen und Getränken. Auch Chipsi Mayai – Ei mit Pommes Frites – haben wir probiert. Sehr lecker!

Mittwoch ist Markttag in Butiama und das durften wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Wie schon seit unserer Ankunft wurden wir von ‚Wazungu!!‘-Rufen (Europäer!!) und erstaunten Blicken verfolgt. Ein sehr ungewohntes und teilweise etwas unbehagliches Gefühl, denn wann bekommt man schon mal so viel Aufmerksamkeit geschenkt? Aber unsere Devise lautet: einfach nett lächeln und winken – die Kinder freuen sich wie verrückt! Auf dem Markt gibt es wirklich alles. Ein Deutschlandtrikot stach uns dabei natürlich besonders ins Auge.

Der erste Schultag. Und sogleich ein ernüchternder Tag. Da wir die ersten Freiwilligen in dieser Schule sind, ist es auch für die Lehrer eine komplett neue Situation. Wir haben das Gefühl, dass sie mit uns überfordert sind und sie den Grund für unser Dasein noch nicht verstanden haben. Ein kleiner Trost sind die vielen süßen Kinder, die voller Neugier und Herzlichkeit auf uns zukommen. Wir haben zwar so gut es ging versucht einen Stundenplan auszuarbeiten, kamen damit aber keinen Schritt vorwärts, weil das Verständnis für Freiwillige und eine klare Struktur in der Schule völlig fehlen. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass es in Zukunft besser wird, wenn wir uns aneinander gewöhnt und unseren Rhythmus gefunden haben.
Wir sind also gut angekommen, aber es wird sicherlich noch einige Zeit dauern, bis wir uns richtig eingelebt haben.

Ich sende ganz liebe Grüße in die Heimat!

 

 

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6 Kommentare zu So viel Neues!

  1. Mama sagt:

    Hallo meine liebe Lissi,

    Yannik (waren gestern beide bei Yvette zum Geburtstag eingegalden und da hat er doch gleich die Gelegenheit genutzt, es sich für die Nacht deinem!Bett bequem zu machen!:-)) und ich haben gerade gemeinsam deinen ausführlichen Bericht gelesen. Es klingt alles so wunderbar spannend und aufregend! Ich denke jeden Tg an dich und bin schon ganz gespannt auf deine nächste Nachricht.

    Viele liebe Grüße auch an Nora und einen dicken Kuss von deiner
    Mama

  2. kiki sagt:

    hallo lissi,
    das hört sich alles so super spannend an, aber an manchen stellen die ich gelesen habe, wurde mir etwas mulmig.
    passt gut auf euch auf, ich freue mich schon auf deinen nächsten eintrag. 🙂
    ich denke an euch, fühl dich gedrückt 🙂

  3. Martina & Benno sagt:

    Liebe Lissa,
    dein Bericht liest sich wie ein spannendes Buch! Du kannst so schön schreiben, dass man alles direkt miterlerbt. 😉
    Du hast ja wirklich schon einiges erlebt in der kurzen Zeit. Und es war ja nicht alles ganz ungefährlich.
    Wir freuen uns, dass es dir trotzdem gut geht!
    Auch wenn es für dich vielleicht nicht einfach ist, kannst du doch stolz sein an der Aufbauarbeit des Projekts beteiligt zu sein. Das wird bei der Mbeza School bestimmt in die Geschichte eingehen 🙂
    Wir sind jedenfalls sehr stolz auf dich! Und wir freuen uns schon auf deinen nächsten Bericht.

    Ganz viele Liebe Grüße aus dem zufällig mal sonnigen Rotenburg!
    Wir haben dich lieb,
    Benno & Martina

  4. Martina & Benno sagt:

    Ohh, wir haben ganz vergessen von Volker und Welf zu grüßen!

  5. annemie sagt:

    Liebe Lissi,
    das hört sich ja richtig spannend an, es ist bestimmt abenteuerlich. Ich kann mir gut vorstellen, dass es für die dortigen Menschen überraschend ist, dass zwei nette Mädels kommen und ihnen beim Lernen helfen wollen, sie müssen sich wohl, genau wie ihr, daran gewöhnen. Ich wünsche dir und deiner Freundin alles Gute, behaltet euren Mut und eure Freude.
    Ganz liebe Grüsse von deiner Tante aus La Palma

  6. Petra sagt:

    Hallo liebe Lissi,
    Karo hat mir heute deinen Link geschickt und ich bin sehr beeindruckt von deinen ersten Erfahrungen und dem ausgesprochen anschaulichen und lebhaften Schreibstil. Es hört sich in der Tat noch alles sehr ungewohnt an, aber mit der Zeit wird sich schon alles „finden“ und auch die Lehrer werden dann merken, dass ihr gute und kreative Unterstützung leisten könnt. Es ist doch toll, so eine „Pionierarbeit“ leisten zu können. Bin gespannt, wie es weiter geht. Werde den Link auch an meine Sonja weitergeben, da sie sehr interessiert ist. Macht es gut und passt auf euch auf! Herzliche Grüße von Petra (zzt. in London)

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