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„Hast du dich schon eingelebt, hier in Afrika-Light?“

Juchuh, ab jetzt geht es bergauf! Warum? Heute ist meteorologischer Frühlingsanfang! Ok, vielleicht ist es für euch Freunde auf der Nordhalbkugel etwas schwierig, meine Freude zu teilen – vielleicht bringe ich sie auch nicht so überzeugend rüber, da der Frühlingsanfang bei uns so aussieht, wie auf dem Foto:

Es ist nach wie vor kalt und windig, heute auch noch regnerisch, unsere Heizung im Büro ist ausgefallen und meine erste Erkältung habe ich auch schon fast hinter mir (Taschentücher sind richtig teuer!).

Seit ich hier in Kapstadt angekommen bin, gibt es vor allem die folgenden Fragen, die mir gestellt werden:

Einheimische fragen mich, woher ich komme (und das finden sie dann immer toll oder interessant, wahrscheinlich deshalb, weil sie es sich, wie die Frau an der Supermarktkasse vorgestern, wegen meines Akzents schon gedacht hatten), wie es mir in Südafrika gefällt und sagen mir, dass ich die Zeit genießen soll, Kapstadt ja so wunderschön ist und sie sich freuen, dass ich da bin. Ich antworte natürlich immer ehrlich und sage, dass ich Südafrika sehr interessant finde, aber leider noch nicht viel gesehen habe, mich aber sehr darauf freue, mehr von diesem Land mitzukriegen.

Verwandte und Freunde in Deutschland fragen mich, ob es mir gut geht (und was sie machen sollen, wenn sie MEINE Festplatte formatiert haben). Ich antworte natürlich auch hier immer ehrlich und sage, dass es mir gut geht, schließlich genieße ich eine noch immer beeindruckende Aussicht (wenn keine Wolken im Weg sind, so wie jetzt), komme gut mit meinen Mitfreiwilligen klar, kann mich täglich duschen, habe warme und saubere Kleidung, mehr als genug zu essen und zu trinken, wurde noch nicht ausgeraubt, musste noch nicht auf der Straße übernachten, werde nicht von der Polizei verfolgt, habe keine schwere Tropenkrankheit und bin auch noch am Leben. Während meine Arbeit manchmal noch nicht so interessant ist, aber dazu später noch. Und wenn ihr MEINE Festplatte formatiert habt, ist es eigentlich auch egal, was ihr dann macht, denn dann sind die Daten, die mal drauf waren, alle weg.

Kaum waren meine Eltern zurück aus dem Urlaub, fragten sie mich gleich, ob ich denn auch unter einem Moskito-Netz schlafen würde. Ja, die Reisemediziner in Deutschland sagen, ich sollte das unbedingt tun, und nein, es gibt hier keine Moskitos, ich bin noch nie einem begegnet, meine Kollegen und Chefs auch nicht, deshalb schlafe ich auch nicht unter einem Moskito-Netz und mache mir dabei auch keine Sorgen.

Mitarbeiter und Lehrer der Schule fragen mich, ob ich mich denn schon eingelebt habe. Kapstadt sei ja „Afrika-Light“. Seit Coca-Cola wissen wir, dass „Light“ vom Inhalt das gleiche ist wie „Zero“.

Bisher ist jeglicher Kulturschock bei mir ausgeblieben. Kapstadt ist zwar nicht so wie Deutschland, aber vollkommen anders, als ich mir Afrika vorgestellt habe – und der Rest von Afrika wahrscheinlich auch ist. Besonders stark merke ich das, wenn ich über meine Arbeit nachdenke. Trotz des Bewusstseins, dass Kapstadt eine relativ westliche, „entwickelte“ Stadt ist und uns ein hoher Lebensstandard erwarten würde, hatte ich mir unter meinem Freiwilligendienst eher etwas mit Aufbaucharakter vorgestellt. Das macht mir gerade ein bisschen zu schaffen: Es ist irgendwie alles schon da – und will jetzt nur noch gepflegt werden. Und diese Pflege erfordert, zumindest scheint es bisher so, kaum kreative Arbeit oder Problemlösungen, sondern nur Ausdauer und Frustrationstoleranz. Es gab auch einige sehr nette Aufgaben: Ich mache bei der Mediation an der Schule mit, helfe bei einer der Hockey-AGs und durfte heute bei einer Hafenrundfahrt mitkommen.

Als ich wiederkam, saß ich eine Stunde im Büro, ohne eine Idee, was ich tun könnte. Mir fehlt das eigene Projekt, mit dem ich etwas erreichen möchte, für das ich motiviert bin und das ich immer, wenn ich nichts Anderes dringend zu tun habe, weiterführen kann. Zwar waren meine Aufgaben bisher sehr vielfältig, auch nicht immer gleichmäßig anstrengend (was ich an meiner Arbeit auch sehr mag), aber die wirklich interessanten Aufgaben waren relativ spärlich gesät. Stattdessen erwartet mich „Kleckerkram“: Mal hier einen Stapel Papier schreddern, mal von dem ein paar Daten löschen, mal dort etwas scannen, mal für die ein paar Loshefte sortieren… Ich habe kein Problem, wenn auch das zu meiner Arbeit gehört, aber hauptsächlich würde ich gerne etwas machen, wo mir eine gewisse Entscheidungsfreiheit gegeben wird. Und wo ich das Gefühl habe, als Freiwilliger gebraucht zu werden – weil ich das gerne mache. Das fehlt mir bisher. Die ganze Zeit nur solche Aufgaben, wie ich gerade aufgezählt habe, zu erledigen, kann man auch jemandem zum Geld verdienen oder als Strafarbeit geben, der macht das genauso gut. Sassan, mein Chef, hat mir auch in Aussicht gestellt, dass ich ein größeres eigenes Projekt bekommen soll, weil unsere Schule irgendetwas mit der Datenbankverwaltung ändern möchte und ich mich doch mal darum kümmern könnte. Außerdem werde ich, so wie es aussieht, ein größeres Projekt zur Olympiade im März mit in die Hand bekommen. Doch wirklich mehr dazu gesagt, als ich jetzt geschrieben habe, wurde mir bislang auch nicht.
Ich habe mich nie gefragt, was „eingelebt“ eigentlich bedeutet. Deshalb antworte ich auf diese Frage immer, dass ich mich nicht fremd fühle, dass es mir gut geht, dass ich meine Arbeit sehr abwechslungsreich, aber oft nicht sehr spannend finde und hoffe, dass sie interessanter wird. Und dass ich noch viel zu wenig von Kapstadt und Südafrika gesehen habe.

Was machen wir sonst so nach drei Wochen Arbeit? Klar, wir planen unseren Urlaub. Kathrin und Andrea, meine Mitfreiwilligen hier, nutzen die Chance und fahren mit den Internatsschülerinnen die Garden Route entlang. Als sie davon erzählt haben, dass sie einfach beim Urlaub vom Internat aus mitfahren können, wollte ich das erst auch – schließlich ist es eine ziemlich gute Gelegenheit, einfach dort mitzufahren, wo man sich (bilde ich mir ein) um die Organisation nicht selbst kümmern muss und sicher auch ziemlich günstig weg kommt. Doch Kathrin hat mich gefragt, ob es mir sehr viel ausmachen würde, wenn es ein reiner Mädchenurlaub werden würde. Mir macht allein schon die Begründung „Mädchenurlaub“ sehr viel aus. Aber natürlich möchte ich nicht mit Leuten Urlaub machen, bei denen ich weiß, dass ich für sie nicht richtig dazugehöre und sie mich lieber nicht dabeihaben wollten. Deshalb bin ich damit einverstanden, wenn die anderen alleine fahren. Allerdings habe ich immer noch an der Situation zu knabbern, dass diese Aktion das Klima zwischen uns Freiwilligen etwas abkühlt und womöglich auch zu Spannungen führt. Fragwürdig ist die Aktion ja schon sehr, ich wäre auch nicht auf die Idee gekommen, wenn ich den Urlaub vom Internat mitmachen würde, Andrea aus irgendeinem nichtigen Grund zu bitten, zu Hause zu bleiben. Ich denke, die beste Lösung ist auch hier: drüber sprechen. Wie gesagt, ich komme damit klar, nicht in den nächsten Ferien die Garden Route entlang zu fahren. Bestimmt finde ich etwas anderes Interessantes, was ich machen kann. Ich habe schon zwei konkrete Ideen, die ich aber noch mit den Leuten absprechen muss, die ich dafür brauche.

Das andere große Thema momentan ist, dass wir, Andrea, Kathrin, Wolfi und ich, uns ein Auto kaufen wollen (ich glaube, zumindest darauf haben wir uns jetzt geeinigt). Wir haben aber wenig Ahnung davon und sind auf Sassans oder jemand anderen Hilfe angewiesen. Mir kommen die Preise für Gebrauchtwagen hier ziemlich teuer vor, teurer als in Deutschland. Zumindest für unsere Ansprüche, dass ein Auto möglichst günstig in Anschaffung, Unterhalt und Wertverlust sein muss und es zuverlässig sein soll. Ich habe heute mal im Internet Preise verglichen, aber die Angaben über die einzelnen Autos sind relativ spärlich. Deshalb müssen wir bald mal auf geführte Autosuche gehen. Bei manchen Anzeigen konnte ich dem Angebot auch nicht richtig glauben. Zum Beispiel habe ich einen Jaguar mit nur 250 km Laufleistung (aber 41 Jahre alt) für umgerechnet nicht mal 1400€ gefunden – während man für einen Golf I schnell mehr ausgeben muss.

Also insgesamt: Kein Afrika-Feeling. Leider. Das ist der Grund, warum ich versuche, so viel wie möglich herumzukommen, gerade da wir noch kein Auto haben. Es gibt lediglich zwei Dinge, die halbwegs so sind, wie ich sie erwartet hatte: günstige Taxen und langsames Internet.